Kaum ein Fahrzeugbauer verzichtet bei neuen Modellen heutzutage auf ein integriertes Head-up Display (HUD). Und das aus gutem Grund: Die neuen Systeme erhöhen nachweislich die Straßensicherheit und gelten als zukunftsweisend. Allerdings gehen mit HUDs auch einige Herausforderungen einher, die sich unter Umständen störend auf die Fahrperformance auswirken. So kann es vorkommen, dass die Anzeigen bei starker Sonneneinstrahlung oder schlechter Ausleuchtung nur schwer ablesbar sind, während fehlerhafte Einstellungen den Fahrer gar blenden oder erheblich ablenken können. Um derartige Probleme im Vorfeld auszuschließen, sind umfassende Testreihen erforderlich. Dabei müssen OEMs entweder auf die Ergebnisse der Zulieferer vertrauen oder mit großem Aufwand in eigene Prüfstände investieren. Viele am Markt existierende Prüfstände greifen dabei auf alte Messverfahren zurück, deren Genauigkeit und Messvielfalt den technologischen Entwicklungen nicht mehr gerecht wird, weshalb langwierige Vergleichsmessungen erforderlich sind. ARRK Engineering hat deshalb in Zusammenarbeit mit dem Prüfstandsspezialisten Gefasoft, einen neuen hochpräzisen HUD-Prüfstand entwickelt, in den sich auch die komplette Frontscheibe einspannen lässt. Damit sind auch zukunftsweisende neue HUD-Technologien, welche derzeit vermehrt von OEMs entwickelt werden, weiterhin messfähig. Herstellerunabhängig können diverse optische Eigenschaften vollautomatisiert und deutlich präziser als bisher mit hoher Wiederholgenauigkeit erfasst werden, wie ein erfolgter Messfähigkeitsnachweis bestätigt hat.
Als sich die Branche 2023 zur IAA Mobility in München einfand, waren Augmented-Reality-Head-up-Displays (AR HUD) eines der Top-Themen. Denn im Gegensatz zu noch vor wenigen Jahren gelten HUDs heute nicht mehr als kostenintensives „Gimmick“, sondern sind als Fahrassistenzsystem aus neuen Fahrzeugmodellen nicht mehr wegzudenken oder bei einigen Herstellern zukünftig sogar das Hauptanzeigesystem der Fahrzeuge. Indem relevante Informationen wie Geschwindigkeit und Navigation, aber auch Warnhinweise bis hin zu Infotainment direkt im Sichtfeld des Fahrers eingeblendet werden, muss der Blick seltener von der Straße abgewendet werden. Im Fall der zukunftsträchtigen AR HUDs werden nicht mehr nur statische Hinweise, sondern auch kontaktanaloge Informationen aus Sicht des Fahrers direkt auf die Straße projiziert. Auf diese Weise können ADAS (Advanced Driver Assistance Systems) wie Abstand- und Spurhalteassistenten dynamisch auf das Geschehen im Verkehr reagieren und beispielsweise potentielle Gefahrenquellen unmittelbar anzeigen. Dies erhöht die Fahrsicherheit im Vergleich zu klassischen Head-down-Displays wie einer analogen oder digitalen Instrumententafel mit statischen Informationen in doppelter Hinsicht.
„Wie bei allen Technologien gilt auch bei HUDs: Je mehr Funktionalitäten abgebildet werden, desto stärker steigen die Anforderungen an das Testing“, weiß Sebastian Hensle, Gruppenleiter Optische Systeme bei ARRK Engineering. „Gerade im Kontext neuer, größer HUDs oder auch Anzeigeinhalten, die im sogenannten Schwarzbereich der Windschutzscheibe projiziert werden, muss beispielsweise über die gesamte Frontscheibe vermessen werden, was unser bisheriger Prüfstand schlichtweg nicht konnte.“ Bereits auf dem Markt erhältliche Scheibenprüfstände waren wiederum nicht in der Lage, die von den OEMs geforderte hohe Messgenauigkeit für komplexe HUD-Systeme nachzuweisen. Ein Prüfstand, der die strengen Vorgaben bei einer flächigen Messung einhalten kann, musste erst konzipiert werden. Auf der Suche nach einem Entwicklungspartner für dieses Mammutprojekt wandte sich ARRK Engineering 2020 an den Automatisierungsspezialisten Gefasoft.
Flexibel anpass- und erweiterbar für neue HUD-Generationen
„Für Gefasoft als Projektpartner haben wir uns aus zwei wesentlichen Gründen entschieden“, erzählt Hensle. „Zum einen wegen ihrer langjährigen Expertise im Scheiben- und HUD-Bereich und zum anderen, weil wir Hardware und Software so aus einer Hand bekommen.“ Durch dieses Gesamtpaket konnte sichergestellt werden, dass alle Software-Hardware-Schnittstellen einwandfrei funktionieren und der Prüfstand das von ARRK Engineering definierte Lastenheft sowohl hardware- als auch softwareseitig erfüllt. Herkömmliche Scheibenprüfstände sind dieser Herausforderung nicht gewachsen, da sie üblicherweise weniger strengen Anforderungen genügen müssen. „Um den geforderten Prüfumfang und die Messsequenzen umzusetzen, mussten wir unsere Software entsprechend modifizieren“, bestätigt Jonathan Guthmann, Projektmanager Vision/HUD bei Gefasoft. „Außerdem haben wir das System mit umfassenden Zugriffsmöglichkeiten sowie Schnittstellen für eigene Erweiterungen ausgestattet, damit die Kollegen von ARRK Engineering es auch zukünftig auf dem Stand der Technik halten und an die Herausforderungen neuer HUD-Generationen anpassen können.“
Die flexible Auslegung des Prüfstands war die zweite große Anforderung seitens ARRK Engineering. Um den Workflow beim Einsetzen eines neuen HUD-Projektors zu verbessern, hat Gefasoft eine automatisierte Förderstrecke zum Versetzen des Projektors von der Wechsel- in die Prüfposition konzipiert. Zusätzlich lässt sich auch der Scheibenmaster, der für den Prüfzweck die Topologie der Frontscheibe imitiert, in eine sichere Wechselposition verfahren, wo er mit wenigen Handgriffen ausgetauscht werden kann. „Außerdem wird die Scheibe selbst als Teil des Gesamtsystems HUD immer wichtiger“, erklärt Hensle. „Deswegen haben wir den neuen Prüfstand von vorn herein auf der Basis eines Scheibenprüfstands konzipiert.“ So ist es alternativ zum sogenannten Scheibenmaster (Scheibenausschnitt meist aus Edelstahl) auch möglich, die gesamte Scheibe zur Prüfung aufzulegen – und zwar sowohl hersteller- als auch fahrzeugtypunabhängig. „Dies wird für zukünftige 3D- oder AR HUDs sehr relevant werden, da immer größere Bereiche der Windschutzscheibe als kontaktanaloge Projektionsfläche benutzt werden“, ergänzt Projektleiter Alexander Düring, GEFASOFT.
Investition in die Zukunft: Prüfstand misst 5 Mal präziser als gefordert
Für die flächigen photometrischen Messungen wurde eine LMK 6 Color-Kamera von TechnoTeam verbaut. Diese verfügt nicht nur über einen Sensor mit hoher Auflösung, sondern macht sich zu diesem Zweck auch ein Objektiv mit einem großen Field-of-View (FOV) zu Nutze. Sie ergänzt das Standard-Setup zur Distortionsmessung. „Für die Kameraführung wollten wir ursprünglich einen Messroboter einsetzen“, berichtet Hensle. „Die Gelenkarme konnten unsere strengen Vorgaben an die Messtoleranzen allerdings nicht erfüllen.“ Daher erfolgt die Kameraführung nun über ein Linearsystem, das eine Positionsungenauigkeit von weniger als einem Zehntel in allen Kamerapositionen bei einem maximalen Verfahrweg ermöglicht. Hinzu kommt der Faktor der mechanischen Stabilität, auf den bei dem rund 3,5 Tonnen schweren Prüfstand viel Wert gelegt wurde. So lässt sich bei der Reihenprüfung von HUD-Projektoren eine derart hohe Mess- und Wiederholgenauigkeit erreichen, dass die von den OEMs vorgegebenen Messfähigkeitsgrenzen um ein Fünffaches unterschritten werden, wie in einschlägigen Testreihen nachgewiesen werden konnte.
Aufgrund der optimalen Abstimmung von Hardware und Software seitens Gefasoft läuft die hochpräzise Messung inklusive der Dokumentation und Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse vollautomatisiert und muss nicht manuell überwacht werden. So ist es kein Problem mehr, längere Aufgaben wie Leuchtdichtemessungen, die durchaus drei bis vier Stunden dauern können, einfach über Nacht laufen zu lassen. „In Gefasoft haben wir einen erfahrenen Projektpartner gewonnen, der unsere Vorstellungen eines hochautomatisierten und dennoch flexibel erweiterbaren HUD-Prüfstands zuverlässig umsetzen konnte. Nun sind wir gewappnet für neue HUD-Generationen – seien es AR HUDs, die auf der IAA von den OEMs vorgestellt wurden, oder zukünftige Technologien, bei denen auch die Prüfung der Scheibe als Teil der komplexen Gesamtsysteme immer relevanter wird“, so Hensle abschließend.
Weitere Infos unter https://www.gefasoft.com/ und https://engineering.arrk.com/