queer@work: Interview mit Faye Kuhn

Was eine queerfreundliche Arbeitskultur ausmacht

Interview mit Faye Kuhn, Teamleitung Hardware- und Softwarelogistik im Bereich ADAS

Bitte erzähle uns zum Einstieg doch etwas über deinen Werdegang bei ARRK Engineering!

Im November 2021 habe ich bei ARRK im Projektmanagement angefangen, damals waren wir zu zweit im Team. Als mein Kollege Ralf das Unternehmen dann Anfang 2022 verlassen hat, kam Philipp, mein Gruppenleiter, auf mich zu und fragte mich, ob ich mir die Position als Teamleitung vorstellen kann.

Weil ich von Anfang an das Gefühl hatte, dass man bei ARRK eine offene und aufrichtige Gesprächskultur pflegt, habe ich ebenso auf offene Karten gesetzt und mit ihm über meinen Transitionsprozess gesprochen … und auch über seine Einschätzung dazu, was das für die Funktion als Teamleitung bedeutet. Er hat das sehr positiv aufgenommen. Seit April 2023 bin ich nun Teamleiterin.

 

Inzwischen leitest du das Team Hardware- und Softwarelogistik und zeigst dich auch im Arbeitsumfeld als trans Frau. Sicher brauchte es da Vertrauen in die Kolleginnen und Kollegen, um sich zu offenbaren? Welche Rolle haben die Arbeitskultur bei ARRK und das Miteinander im Team dabei gespielt?

Das Team ist seitdem gewachsen und war insofern auch in den Prozess mit einbezogen. Ich habe das persönliche Gespräch gesucht und es Schritt für Schritt allen im Team gesagt. Das muss natürlich immer jeweils passen, da ist nicht jeder Tag gleich gut geeignet. Es wurde von allen sehr positiv aufgenommen, was bestimmt auch daran liegt, dass wir insgesamt einen sehr guten Teamspirit haben und dass wir uns alle untereinander gut verstehen, auch privat.

 

Hat dich jemand unterstützt?

Ja, ich habe viel Unterstützung durch Philipp erfahren, aber auch von den Führungskräften insgesamt. Darüber hinaus unterstützt besonders mein Team nach wie vor sehr, denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden inzwischen auch von anderen Teams darauf angesprochen und gefragt. Wenn sie auf die Fragen aus anderen Teams antworten können und alle offen damit umgehen, dann hilft mir das.

 

Oft wechseln trans Personen nach der Transition ihre Arbeitsstelle. Wann hattest du das Gefühl, dass ARRK die Firma ist, die dir Sicherheit gibt und wo du deine Entscheidung zu dem großen Schritt nun umsetzen kannst?

Von Anfang an. Bei ARRK hatte ich sofort ein gutes Gefühl, das umsetzen zu können, weil man sein kann wie man ist und mehr noch, es ist gewünscht, dass man die eigene Persönlichkeit einbringt. Hier wird man nicht nur für einzelne Aspekte geschätzt, wie zum Beispiel für die fachlichen Fähigkeiten, sondern eben für seine Persönlichkeit insgesamt. In den drei Unternehmen, in denen ich vorher tätig war, konnte ich mir das nicht vorstellen.

 

Nach deinem Comingout hast du dich dafür entschieden, deinen Weg konsequent weiterzugehen. Das erfordert vermutlich viel Kraft; was inspiriert dich und woher nimmst du deine Stärke? Was kann das Arbeitsumfeld dazu beitragen?

Eigentlich ist es genau umgekehrt: Den Schein zu wahren ist wesentlich anstrengender und es befreit mich schon sehr, das nicht mehr tun zu müssen.

Ein Arbeitsumfeld trägt dazu bei, indem es das Anderssein respektiert. In den letzten Jahren ist das Thema Queerness insgesamt sozusagen gesellschaftsfähiger geworden, wobei es im Moment auch medial für gesellschaftspolitische Absichten instrumentalisiert wird. Trotz der medialen Aufmerksamkeit ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig – zum Beispiel was die Berücksichtigung von Namen und Pronomen einer Person angeht.

Gleichzeitig ist die Namensnennung ein ganz zentraler Punkt, zu dem das Arbeitsumfeld beitragen kann. Mein Wunsch wäre, dass mein neuer Name genannt wird – denn die Änderung im Personenstandsregister dauert monatelang und bis dahin ist es so, dass ich den alten Namen jeden Tag mehrfach lesen muss. Das hört sich in unbeteiligten Ohren vielleicht erstmal nicht ungewöhnlich an … wenn man aber bedenkt, dass der selbstgewählte Name Zeichen meiner Identität und meiner Persönlichkeit ist, kann man es wahrscheinlich besser nachvollziehen.

 

Wie wichtig ist die Sichtbarkeit von queeren Themen am Arbeitsplatz, um das Wohlbefinden und die Akzeptanz zu steigern?

Auch im Arbeitsumfeld ist die Sichtbarkeit von queeren Themen sehr wichtig, weil sie ein Gefühl der Zugehörigkeit und der Akzeptanz vermitteln. Das fängt bei ganz alltäglichen Dingen an: Wenn eine queere Person gefragt wird, was sie am Wochenende so gemacht hat, muss sie ein bisschen ausweichen, um sich nicht zwangsläufig zu outen. Letztendlich versteckt man ungeoutet auf der Arbeit immer einen Teil seiner Persönlichkeit, denn gegebenenfalls äußert man sich zu vielen Themen bewusst anders, um damit heteronormativen Vorstellungen zu entsprechen, oder man äußert sich gar nicht. Es geht darum, auch am Arbeitsplatz eine Umgebung zu schaffen, in der sich jede Person frei und sicher fühlt.

Mein Vorschlag wäre, dass wir eine beratende Person ins Haus einladen und eine Schulung zum Thema anbieten, denn je mehr Wissen es im Unternehmen gibt, desto mehr werden Unsicherheiten im Umgang abgebaut und desto weniger müssen queere Personen sich erklären.

In meinem Team bzw. Bereich haben wir diese Atmosphäre bereits.

Wir haben in Unterschleißheim im Erdgeschoss eine Unisex-Toilette. Das ist zwar eher Zufall, aber gleichzeitig auch ein guter Schritt, denn solche Gesten senden starke Signale der Unterstützung und der Solidarität.

 

Welchen Tipp möchtest du Kolleginnen und Kollegen geben, die vielleicht unsicher im Umgang mit diesem Thema sind?

Trefft euch mit Menschen aus der Community und tauscht euch mit ihnen aus. Die Gespräche sind bereichernd und sie bauen Vorurteile ab. Und ganz wichtig: Fragen! Wenn ihr beispielsweise unsicher seid, wie jemand angesprochen werden möchte oder welche Pronomen verwendet werden, fragt die betreffende Person. Sprecht lieber mit uns als über uns.

 

Einige Menschen wissen früh, dass sie trans sind, andere merken das erst allmählich. Gab es in deinem Privatleben den einen entscheidenden Moment, in dem dir das klar wurde? Und wie hat dein privates Umfeld darauf reagiert?

Den einen entscheidenden Moment gab es bei mir nicht. Ich würde sagen: Man merkt es in der Kindheit. Im Grundschulalter spielt das Geschlecht noch keine Rolle, da ist das kein Thema, wenn man mit Mädchen spielt. Im jugendlichen Alter merkte ich, dass ich irgendwie nicht zu den Jungs gehöre und hatte auch eher Freundinnen. Gleichzeitig haben mich die Mädchen mit Einsetzen der Pubertät nicht mehr als zu ihnen gehörig wahrgenommen. Irgendwann habe ich dann ein männliches Verhalten, oder das was man dafür hält, eingeübt und diese Rolle jahrelang eingenommen. Man hat im Grunde ein berufliches, ein privates und ein geheimes Leben, und das funktioniert nicht auf Dauer.

In meinem privaten Umfeld haben die Menschen sehr positiv reagiert, sie freuen sich sehr für mich. Meine Familie zum Beispiel sagt, ich bin seitdem eine offenere Person geworden.

 

Stehst du für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Ansprechpartnerin zu dem Thema zur Verfügung? Können sie sich an dich wenden?

Ja, selbstverständlich. Wenn jemand Fragen hat, stehe ich zur Verfügung – und rein statistisch betrachtet müssten wir ja auch mehrere sein (lächelt).

 

Die Geschlechtsidentität eines Menschen ist eine ganz persönliche Angelegenheit. Gleichzeitig hat sie aber Auswirkungen auf alle Lebensbereiche, hierzu gehört auch das Arbeitsleben. 

Vielen Dank, dass du einen Einblick gibst, Faye!

Kategorie: News
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